Zellwandel mit dem Nudelholz

Foto: Fotolia/Sergii Ieromin
Foto: Fotolia/Sergii Ieromin

Timo Sieber hat an der Fachhochschule Weihenstephan in Freising Biotechnologie studiert und später in Regensburg promoviert. Heute forscht er am Universitätsklinikum in Hamburg im Bereich der Virologie. Für seinen Vortrag über zellspezifische Viren erhielt er beim FameLab-Wettbewerb in Deutschland den ersten Preis. Von Christiane Martin

Timo Sieber braucht drei Minuten und ein Nudelholz, um zu erklären, woran er gerade forscht. Mit durchaus schauspielerischer Begabung kann der Biotechnologe auch Laien klarmachen, wie man es schafft, Hautzellen in künstliche Stammzellen zu verwandeln und diese dann in Herzmuskelzellen.

Timo Sieber, Foto: Bielefeld Marketing GmbH
Timo Sieber, Foto: Bielefeld Marketing GmbH

Kopf:
Dr. Timo Sieber, 34 Jahre, Biotechnologe und FameLab-Gewinner in Deutschland 2012

„Man braucht dazu Reprogrammierungsfaktoren, die man in die Hautzelle schleusen muss“, sagt er in seinem Kurzvortrag beim FameLab-Wettbewerb – einem internationalen Wettbewerb für Wissenschaftskommunikation – im März 2012 in Bielefeld und fuchtelt forsch mit dem Nudelholz. „Aber dabei muss man geschickt vorgehen und das Nudelholz, sprich die Geninformation der Reprogrammierungsfaktoren, mithilfe von speziellen Viren in die Zelle schmuggeln.“ Leicht verständlich beschreibt Sieber diesen Vorgang. Das Publikum dankt es mit großem Applaus, die Jury mit dem ersten Preis.

„Ich habe unglaublich gern am FameLab teilgenommen, weil ich hier zwei Dinge, die ich gern mache, miteinander verbinden kann“, erklärt der 34-Jährige. Theaterspielen sei schon in früher Jugend ein Hobby von ihm gewesen, und seine Leidenschaft für die Naturwissenschaften hatte er bereits als Kind entdeckt. „Ich wollte immer schon Forscher werden“, sagt er lachend.

Also begann der gebürtige Wiesbadener 1997 im bayerischen Freising, an der Fachhochschule Weihenstephan Biotechnologie zu studieren. Fünf Jahre später wechselte er als fertiger Diplom-Ingenieur an die Uni Regensburg und absolvierte hier ein einjähriges Aufbaustudium zur Erlangung der Promotionsreife. Als durchaus sinnvoll bezeichnet Sieber im Rückblick diese Zwischenstation: „Die Ausbildung an der FH war sehr technikorientiert; an der Uni konnte ich dann eher die Naturwissenschaften, insbesondere die Biologie, vertiefen.“

In seiner anschließenden Promotion betrieb Sieber dann Grundlagenforschung im Bereich der Virologie. Nach erfolgreichem Abschluss ging er 2008 nach Hamburg und wechselte in die anwendungsbezogene Forschung. „Ich beschäftige mich zwar immer noch mit Viren, aber jetzt mit dem klaren Ziel, die Ergebnisse in die Praxis zu überführen.“ Er und das etwa zwölfköpfige Team am Universitätsklinikum Hamburg, dem er angehört, benutzen sogenannte Adeno-assoziierte Viren, um Informationen in Zellen zu transportieren. „Seit einigen Jahren kennt man zum Beispiel Proteine, die in Zellen eine Reprogrammierung auslösen“, erklärt der Biotechnologe. „Will man also Zellen dazu bringen, ihre Spezialisierung auf einen bestimmten Zelltyp aufzugeben, muss man sie einfach nur mit diesen Proteinen behandeln. Das geht, indem man entkernte Adeno-assoziierte Viren als Transporter für die Reprogrammierer benutzt, ihre Oberfläche leicht verändert und die Viren danach in die Zellen schickt.“

Der Praxisbezug liegt hierbei zum Beispiel in der personalisierten Medizin. Wenn man etwa aus den reprogrammierten Zellen Herzmuskelzellen zieht, kann man an denen ein individuell abgestimmtes Herzmedikament testen. Es ist aber auch möglich, mithilfe von Viren Impfstoffe in Körper zu transportieren oder Tumorzellen abzutöten. „Das Gefühl, etwas zur Lösung wirklich schwerwiegender Probleme beizutragen, ist toll“, sagt Sieber. Er findet, dass er einen wunderbaren Job hat. „Man wird dafür bezahlt, dass man im Labor steht und Dinge ausprobiert, tüftelt, knobelt, forscht.“

Es gibt nur einen Wermutstropfen: Seine Stelle ist – wie so oft in diesem Bereich – befristet, und Timo Sieber weiß nicht, wo er in den nächsten Jahren landen wird. Aber eins ist sicher, er will weitermachen mit der Viren- und Zellforschung – erst einmal ist er aber als Sieger des Bundesfinales zum internationalen FameLab-Finale beim „Cheltenham Science Festival“ nach England gefahren. Dort ist er dann als einziger Teilnehmer aus Deutschland gegen die internationale Konkurrenz aus 20 Ländern angetreten und hat wieder in drei Minuten, mit dem Nudelholz bewaffnet, seine Welt erklärt.

FameLab

FameLab ist ein vom British Council veranstalteter internationaler Wettbewerb für Wissenschaftskommunikation, der seit 2011 auch in Deutschland ausgetragen wird. Unter dem Motto „Talking Science“ stehen hier Wissenschaftler auf der Bühne und vermitteln einem öffentlichen Publikum von Laien möglichst unterhaltsam und verständlich – und in lediglich drei Minuten – ihr Forschungsgebiet. Zur Präsentation ist nur erlaubt, was am Körper getragen werden kann – sei es ein Kontrabass, ein aufblasbarer Delphin oder ein Nudelholz.

Weitere Infos und die Videos der Vorträge unter: www.famelab-germany.de