Vorausschau: Predictive Maintenance

Foto: Fotolia/Rainer
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Von „Schockwellen der Digitalisierung“ sprechen Experten aus dem Fertigungssektor. In der fertigenden Industrie ist der Einsatz von digitalen Technologien erfolgskritisch. Zukunftsweisend sind dabei Lösungen zur vorhersagenden Wartung, der sogenannten Predictive Maintenance. Von Franz Gruber, Geschäftsführer des IT- und Beratungshauses Forcam aus Ravensburg

Unsere digitale Welt ist vor allem eines – schnell. Das gilt auch für Unternehmen in der vierten, der digitalen industriellen Revolution. Für die neue Zeit gilt der alte Spruch: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Ingenieure sind daher gut beraten, in Karrieregesprächen insbesondere auch die technologische Offenheit eines Unternehmens abzuklopfen. Eine frische Strömung in dem jungen Fachgebiet von Technologien für die Industrie 4.0. (in den USA wird diese übrigens Industrial Internet genannt) ist die vorhersagende Wartung. Predictive Maintenance ermöglicht einen großen Schritt hin zur Fabrik mit Null-Ausfallzeiten. Das Ergebnis: Produktivität und Ressourceneffizienz steigen deutlich.

Unternehmen aus allen Industriebranchen beschäftigen sich mit Predictive Maintenance: Automobil, Ausrüster, Luftfahrt, Elektrotechnik, Maschinenbau oder Telekommunikation. Wettervorhersage für Maschinen Führend auf dem Gebiet der Predictive Maintenance ist Professor Jay Lee von der University of Cincinnati mit seinem Center for Intelligent Maintenance Systems IMS (www.imscenter.net). Lee erklärt die vorhersagende Wartung gerne in einem einfachen Bild: „Bei Predictive Maintenance geht es darum, für jede einzelne Maschine eine ,Wettervorhersage‘ zu machen. Der Regen kann dabei zwar nicht verhindert werden, aber Unternehmen sehen im Voraus, ob sie einen Regenschirm benötigen oder nicht.“

Hannover Messe
Wie wichtig das Thema „Vorhersagende Wartung“ ist, zeigte die diesjährige Hannover Messe vom 24.bis 28. April 2017: Unternehmen, die solche Wartungssysteme bereits anwenden, präsentierten sich in der Predictive Maintenance Area. www.hannovermesse.de

Unternehmen, die mitPredictive Maintenance arbeiten
Parker Hannifin Schmalz Hydac ZF Friedrichshafen Bosch Rexroth Schaeffler Aventix Brüel & Kjær Boge Kompressoren Beckmann Festo Cassantec
Quelle: Hannover Messe

Das Unternehmen Forcam kooperiert als Anbieter einer Smart-Factory-Technologie für weltweit produzierende Konzerne mit dem IMS von Professor Lee in Cincinnati. Wir rüsten die Anlagen von Kunden mit speziellen Predictive-Maintenance-Features aus. Im Vorhinein definierte Messgrößen wie Energieverbrauch oder Beanspruchungen von Maschinen und Anlagen werden genau gemessen und können – mit wachsenden historischen Daten – immer genauer vorhergesagt werden. So werden Kosten, Fehler und Ausfälle erkannt, bevor sie auftreten. Das ermöglicht den großen Schritt hin zur optimalen Produktion: fehlerfrei, ressourceneffizient, kostenreduziert.

Nutzerfreundliche Smart Data

Um das technisch besser zu verstehen, ist es sinnvoll, sich kurz die Arbeitsweise von Technologien der Industrie 4.0 und der smarten Produktion vor Augen zu führen: Smart-Factory-Technologien sorgen für die transparente Fabrik. Hochleistungs-IT-Systeme erfassen Daten aus unterschiedlichsten Quellen – Teilen, Anlagen, Prozessen, Anweisungen –, analysieren diese Big Data und verwandeln sie in Smart Data, also nutzerfreundlich visualisierte Analysen auf allen angeschlossenen browserfähigen Endgeräten wie Touchscreen, Tablet oder Smartphone. Im Ergebnis entsteht am Computer ein virtuelles Abbild der realen Produktion – ein sogenanntes Cyber-Physical-System. Nutzerfreundliche Charts und Grafiken sorgen für eine schnelle Übersicht über alle Produktionszustände auf allen Endgeräten, von der Feinplanung bis zu Fabrikvergleichen. In Cyber-Physical-Systems werden Fehler virtuell erkannt und können real beseitigt werden.

Selbstlern-Effekte

Nun kommt Predictive Maintenance ins Spiel. Besonders hochleistungsfähige Smart-Factory-Technologien arbeiten mit Sensoren, mathematischen Schwingungsanalysen und Algorithmen. So wird zum Beispiel analysiert, ob eine Maschine gesund ist, in nächster Zeit krank werden könnte und ob Ausfälle zu befürchten sind. Die Systeme funktionieren mit Selbstlern-Effekten aus der künstlichen Intelligenz und ermöglichen es, Störungen im Voraus zu erkennen, noch bevor sie tatsächlich eingetreten sind. Entsprechend kann gegengesteuert werden.

Predictive Maintenance trägt auch zur „grünen Fertigung“ bei, weil es Unternehmen in die Lage versetzt, Energieverbräuche auf allen Ebenen detailliert zu analysieren, zu visualisieren und letztlich zu kontrollieren. Wer das Verhältnis von Ressourceneinsatz und Energieaufwand kennt, kann seine Planung im Voraus deutlich optimieren. Die Energiebilanz von ganzen Fabriken wird sichtbar, ein unschätzbarer Wert für transparentes und nachhaltiges Produzieren.

Digitale Technologien verbessern die industrielle Produktion immer weiter. Predictive Maintenance trägt dabei signifikant zur Energie- und Ressourceneffizienz bei – mit entsprechend positiven Folgen für Umwelt, Wettbewerbsfähigkeit sowie den Return on Investment, das Zauberwort für höhere Wertschöpfung. Ingenieure mit Fachkenntnissen über Smart-Factory-Technologien inklusive Predictive Maintenance werden dabei in Karrieregesprächen besonders punkten können. Denn die vorhersagende Wartung wird schon bald, einer Schockwelle gleich, in allen Branchen ein Standard in der smarten Fertigung sein.