Nutzung der Geothermie

Foto: Internationales Geothermiezentrum
Foto: Internationales Geothermiezentrum

Dem Forschungsgebiet „Nutzung von Geothermie in großen Tiefen“ wird weltweit eine große Bedeutung für die zukünftige Versorgung von Ballungsgebieten mit regenerativer Energie zugesprochen. Die Bochum Graduate School Applied Research on Enhanced Geothermal Energy Systems (AGES) bietet zehn Doktoranden die Möglichkeit zur Promotion in diesem spannenden Fachbereich. Von Holger Born, Internationales Geothermiezentrum (GZB)

An den beiden Bochumer Hochschulen – der Hochschule Bochum (HS BO) und der Ruhr-Universität-Bochum (RUB) – beschäftigen sich seit vielen Jahren Arbeitsgruppen von Ingenieuren, Geo- und Gesellschaftswissenschaftlern mit Facetten der Nutzung der Geothermie. 2007 haben sie daher den Geothermie Campus Bochum gegründet, den sie zusammen mit der Stadt Bochum und dem Internationalen Geothermiezentrum (GZB) betreiben. Herzstück des GeothermieCampus ist das International Geothermal Center, welches die HS BO mit Mitteln des Landes Nordrhein- Westfalen, der Europäischen Union und der Industrie errichtet hat. Es handelt sich um die größten Forschungsinfrastrukturen für die Geothermie in Europa. Neben diversen Laboren und eigener Bohrtechnik gehört auch das etwa 50 Quadratkilometer große bergrechtliche Erlaubnisfeld Zukunftsenergie zu dem Zentrum, welches Forschung und Entwicklung unter In-situ-Bedingungen ermöglicht.

Anfang 2013 haben die beiden Hochschulen nun die Bochum Graduate School Applied Research on Enhanced Geothermal Energy Systems (AGES) ins Leben gerufen. In dieser Graduiertenschule bündeln die HS BO und die RUB ihre wissenschaftlichen Kräfte und ermöglichen herausragenden Absolventen die Promotion auf einem Forschungsgebiet, dem weltweit eine große Bedeutung für die zukünftige Versorgung von Ballungsgebieten mit regenerativer Energie zugesprochen wird: der Nutzung von Geothermie in großen Tiefen.

Zehn Doktoranten werden von elf Professoren der beiden Hochschulen betreut, die von den beiden AGES-Sprechern, den Professoren Dr. Jörg Renner, RUB, Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik/Experimentelle Geophysik, und Dr. Rolf Bracke, HS BO, International Geothermal Center/Bohrtechnik und Geothermische Systeme, vertreten werden. „Wenn man über die notwendige Technik spricht, der es bedarf, Geothermie in großen Tiefen in Deutschland zu nutzen, sieht man schnell, dass es sich um eine vielschichtige Aufgabenstellung handelt. Es ist daher für alle Seiten wichtig, sich zusammenzuschließen und zu vernetzen, um von den verschiedenen Stärken gemeinsam zu profitieren. Diesen Schritt haben wir mit AGES unternommen“, erläutert Prof. Bracke.

Tiefe Geothermie zeigt ihr großes Potenzial in der nachhaltigen und klimafreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung. Gerade in Ballungsräumen wird Geothermie zukünftig eine zentrale Rolle spielen, und bis 2050 werden etwa 80 Prozent der Weltbevölkerung in Ballungsräumen und Mega-Citys leben. Grundlastfähige Stromerzeugung und Wärmeversorgung über Fernwärmenetze sind die Stichwörter, die es mittelfristig ermöglichen werden, einen überwiegenden Teil der Wohnungen und Gebäude mit Elektrizität und Wärme umweltfreundlich zu versorgen. Heute sind in Deutschland bereits knapp 20 geothermische Heiz- und Kraftwerke im Betrieb, allerdings ausschließlich an Standorten mit optimalen Voraussetzungen im Untergrund, wie beispielsweise im bayrischen Alpenvorraum rund um München.

Doch um diese Potenziale auch außerhalb geologischer Vorzugsregionen nutzen zu können und die gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern, sind weiterentwickelte Technologien nötig. Rund 90 Prozent des deutschen Potenzials, welches in der Nutzung der Geothermie steckt, ist nur mit Enhanced Geothermal Systems (EGS) zu erschließen. EGS sind Systeme, bei denen der Untergrund erst durch Ingenieure mit bergmännischen Verfahren erschlossen und nutzbar gemacht werden muss. Um die Energie aus trockenen, sehr tiefen und heißen Gesteinseinschichten zu gewinnen, bohrt man diese an, pumpt Wasser in die Gesteinsporen, welches sich dort erwärmt und wieder an die Oberfläche gepumpt wird. Übertage werden dann entweder Turbinen zur Stromerzeugung betrieben und/oder Gebäude mit Wärme versorgt. Die Entwicklung solcher Systeme steckt weltweit noch in den Anfängen und soll an der neuen Einrichtung führend erforscht werden.

Mathias Nehler ist seit Anfang Mai einer der neuen Doktoranden. Ursprünglich an der TU Darmstadt zum Diplom-Geowissenschaftler ausgebildet, untersucht er nun die Wechsel- und Auswirkungen von Fluiden in großen Tiefen auf die Fels- und Gesteinsformationen im Untergrund. „Dass ich hier im engen Austausch mit anderen Promotionsstudenten stehe, ist schon ein Vorteil für meine Forschungen. Gerade bei komplexen Fragestellungen – und dabei handelt es sich bei der Nutzung tiefer geothermischer Reservoire – ist der Blick über den eigenen Tellerrand wichtig, um den Kontext der eigenen Arbeit nicht aus den Augen zu verlieren“, so Nehler.

Mit der neuen AGES wurden nun die grundlagen- und anwendungsbezogenen Arbeiten der beiden Hochschulen weiter zusammengeführt. Jungen Ingenieuren, Maschinenbauern, Geowissenschaftlern, Umwelttechnikern oder Geophysikern wird die Möglichkeit geboten, einerseits ihre eigene – wissenschaftliche – Karriere voranzutreiben, andererseits leisten die Forscher ihren ganz persönlichen Beitrag, die Nutzung der Geothermie ein Stück weiterzuentwickeln.

Geothermie

Geothermie (Erdwärme) ist die unterhalb der festen Oberfläche der Erde gespeicherte Wärmeenergie. Je tiefer man in das Innere der Erde vordringt, desto wärmer wird es. In Mitteleuropa nimmt die Temperatur um etwa 3 °C pro 100 Meter Tiefe zu. Man geht davon aus, dass im Erdkern Temperaturen von etwa 5000 bis 7000 °C erreicht werden. Diese in der Erde gespeicherte Wärme ist nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich.

Aus dem Innern unseres Planeten steigt ein ständiger Strom von Energie an die Oberfläche. Die Erde strahlt täglich etwa viermal mehr Energie in den Weltraum ab, als wir Menschen derzeit an Energie verbrauchen. 30 Prozent des an die Erdoberfläche steigenden Energiestroms kommen aus dem heißen Erdkern selbst. 70 Prozent entstehen durch den ständigen Zerfall natürlicher radioaktiver Elemente in Erdmantel und Erdkruste.

Quelle: GtV Bundesverband Geothermie www.geothermie.de