„Jeder kann zum Klimaschutz beitragen“

Dr. Hendrik Biebeler, Foto: IW Köln
Dr. Hendrik Biebeler, Foto: IW Köln

Welche Branchen tun viel für den Klimaschutz? Und wie bereiten sich Unternehmen auf die Folgen des Klimawandels vor? Dr. Hendrik Biebeler vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln forscht zu diesen Fragen. Sein Fazit: Es muss noch viel getan werden. Beste Chancen also für alle, die sich aufs Anpacken verstehen. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Dr. Hendrik Biebeler, geboren 1969 in Köln, studierte VWL und Soziologie an der Universität Köln, wo er 2000 zum Thema „Soziale Normen und Umweltverhalten“ promovierte. Bis 2001 arbeitete er als Studienleiter in einem Marktforschungsinstitut, seit 2002 ist er im Institut der deutschen Wirtschaft Köln im Kompetenzfeld Umwelt, Energie, Ressourcen tätig.

Herr Dr. Biebeler, sind die Unternehmen auf die Auswirkungen des Klimawandels vorbereitet?
Grundsätzlich muss man hier zwischen freiwilligem Klimaschutz, der Befolgung von Klimaschutzgesetzen und der Anpassung an die Folgen des Klimawandels unterscheiden. Die deutsche Wirtschaft hält sich in der Regel an Klimaschutzgesetze, geht in einigen Fällen sogar darüber hinaus. Unternehmen entwickeln Lösungen für Klimaschutz und Klimaanpassung und bieten diese an. Sicher fällt es dabei einem Versicherungskonzern leichter, Schädigungen des Klimas zu vermeiden, als einem Unternehmen der Bauwirtschaft oder der Grundlagenchemie, denn deren Produkte werden vergleichsweise energieintensiv erstellt. Aber gerade in Branchen, in denen der Hebel sehr groß ist, sind weitere Fortschritte besonders wichtig.

In welchen Branchen werden Unternehmen mit Blick auf den Klimawandel in Zukunft sehr stark umdenken müssen?
Unter starkem öffentlichen Druck steht der Fahrzeugbau. Seine Innovationen haben zwar dazu beigetragen, dass der Verkehr heute nicht mehr Kohlendioxid als vor zehn Jahren ausstößt, sondern sogar ein bisschen weniger. Eine darüber hinausgehende Entlastung ist aber viel schwieriger zu bewerkstelligen. Kostengünstiger dürften viele Maßnahmen an Gebäuden sein, gerade dann, wenn sie zusammen mit sowieso anstehenden Sanierungen durchgeführt werden. Eine gute Isolierung kann nicht nur den Heizbedarf verringern, sondern auch eine klimaschädliche Kühlung überflüssig machen – gerade wenn die Sommermonate in den kommenden Jahrzehnten wärmer werden. Eventuell reicht dann eine Kühlung mit Grundwasser aus. Die jährliche Sanierungsquote ist dafür aber noch immer zu gering.

Welche Branchen werden vom Klimawandel profitieren?
Lösungsanbieter sind besonders der Maschinen- und Anlagenbau, die Chemie- und die Elektronikindustrie. Aber im Grunde kann jede Branche zu einem besseren Klimaschutz beitragen. Nebenbei muss aber auch der Nutzer mitspielen. Gerade weil er häufig eine Schwachstelle darstellt, besitzt die elektronische Steuerung eine wachsende Bedeutung. Dazu zählt auch die Messtechnik. Profitieren dürfte die Baubranche, und zwar sowohl wegen der erwähnten Maßnahmen im Gebäudebereich als auch, weil seltener witterungsbedingte Pausen im Winter nötig sein werden.

Besteht die Gefahr, dass sich Unternehmen, je weiter der Klimawandel zur Gewissheit wird, nur noch darauf vorbereiten, mit seinen Effekten zu leben?
Es wird mit fortschreitendem Klimawandel immer sinnvoll sein, sich auf die mit ihm verknüpften Folgen vorzubereiten, beispielsweise bei hochwassergefährdeten Standorten, die sich oftmals auf vermehrte und stärkere Hochwasserereignisse einstellen müssen. Da jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann, besteht hier selbstverständlich auch ein Konkurrenzverhältnis. Eine große Frage ist dabei, was der Kunde honoriert. Schaut er bei Elektrogeräten etwa nur auf den Kaufpreis? Oder auf Kaufpreis plus Betriebskosten sowie auf die Lebensdauer? In der Regel ist der Energieverbrauch in der Nutzungsphase höher als während der Herstellung. Bei vielen Haushaltsgeräten hat die verpflichtende Kennzeichnung über den Energieverbrauch hier zu großen Fortschritten geführt, weil Unternehmen und Verbraucher gut mitgespielt haben. Ich denke daher, dass Green-Tech-Lösungen gewiss nicht an Bedeutung verlieren, wenn der Klimawandel auch bei uns sichtbarer sein wird.

Mit Blick auf den Arbeitsmarkt: Welche neuen Jobs werden im Zuge des Klimawandels entstehen?
Der Umbau des Energiesystems ist eine entscheidende Säule, der Gebäudebereich eine weitere. Intelligente Lösungen sind aber überall gefragt, übrigens auch bei Kohlekraftwerken und selbstverständlich auch in der Autobranche. Wenn Elektromobilität wirklich die Lösung ist, wird dies enorme Auswirkungen auf die entsprechenden Berufsbilder haben. Ingenieure verschiedener Fachbereiche sind hier sehr wichtig, aber sie brauchen auch Informationen und Rückmeldungen darüber, was der Verbraucher annimmt und wie er die Innovationen anwendet – und diese Informationen geben ihm Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. Es geht also nicht nur um einzelnes Expertentum, sondern um fach- und grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Unternehmen, in denen viele Mitarbeiter ein hohes Klimabewusstsein haben, können hier besser sein als andere Unternehmen.

Wird der Klimawandel zum wichtigsten Motor für einen Wandel der Wirtschaft, hin zu noch mehr Nachhaltigkeit?
Von keinem anderen Umweltproblem wissen wir so viel über die Grenzen, die wir nicht überschreiten sollten. Deswegen wird der Klimawandel tatsächlich ein sehr wichtiger Motor sein, vielleicht auch der wichtigste – oftmals sicherlich auch über den Umweg der Klimaschutzgesetzgebung. Aber: In vielen Fällen rechnet sich Klimaschutz auch wirtschaftlich. Wichtig ist hier, dass die bei uns in Deutschland entwickelten Lösungen so gut sind, dass sie uns nicht überfordern und anderen Ländern signalisieren, dass es gut ist, ähnliche Wege zu beschreiten. Denn Deutschland allein kann den Klimawandel nicht ausbremsen.