Lean Construction Management: Alle zusammen im Takt

Foto: Fotolia/nasir1164
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Deutsche Ingenieurskunst genießt weltweit einen guten Ruf. Doch um den Planungs- und Ausführungsprozess effizienter und detaillierter zu gestalten, nimmt man sich nun die Automobilindustrie zum Vorbild: mit Lean Construction Management (LCM®). Von Dirk Jannausch, Leiter LCM-Expertencenter bei Drees & Sommer

Zur Person

Dirk Jannausch ist seit 2010 für Drees & Sommer tätig. Innerhalb der Unternehmensgruppe treibt er als Geschäftsführer der DS Consulting Process & Organization insbesondere die Themen strategische Prozessberatung, Supply Chain Management und Projekt Management Consulting voran. Seit 2017 leitet Dirk Jannausch zudem das LCM-Expertencenter bei Drees & Sommer.

Autobauer wissen auf die Sekunde genau, wann welches Fahrzeug mit welcher Ausstattung bei ihnen vom Band läuft. Kommt es zu einer Störung im exakt getakteten Produktionsablauf, heißt das Alarm: So schnell wie möglich muss der Fehler ausfindig gemacht und behoben werden. Auf einer konventionellen Baustelle bleiben Mängel dagegen häufig lange unbemerkt, manchmal so lange, dass irgendwann sämtliche Arbeiten zum Erliegen kommen. Doch mit Lean Construction Management (LCM®) werden die Gedanken des Lean Managements aus der Automobilindustrie auf die Bauprojekte übertragen. Dabei werden der Planungs- und Ausführungsprozess so effizient und detailliert wie notwendig aufgesetzt und während der gesamten Projektlaufzeit verbessert, dass der Baustellenbetrieb in einem gleichmäßigen Takt läuft. Unsere Experten von Drees & Sommer wenden LCM® bereits bei einer Vielzahl ihrer Bauprojekte an. Zuletzt etwa beim Bau eines neuen Produktionsgebäudes für Arzneimittel- Anbieter Biotest in Dreieich sowie bei der Sanierung des Deutschen Museums in München.

Elemente des Lean-Construction-Managements

Beim Lean Construction Management kommt der ganzheitlichen Projektplanung mit allen Beteiligten ein besonderer Stellenwert zu. Im ersten Schritt gilt es daher, die Kommunikation zwischen den einzelnen Gewerken, besonders aber auch zwischen den Planern und Ingenieuren mit den Handwerkern vor Ort frühzeitig in Gang zu bringen und eine Gesamtprozessanalyse durchzuführen. Dieser Abstimmungsprozess erfolgt in Workshops mit allen beteiligten Planungsdisziplinen mit dem Ziel, das Bauen als Prozess in den Mittelpunkt zu stellen und ein gemeinsames Verständnis für die Prozessabläufe im jeweiligen individuellen Projekt zu schaffen. Eine optimale „Sequenz“ der Baustelle und des Gesamtablaufs hin zu einem konsistenten Ausführungskonzept stehen dabei im Mittelpunkt.

Auf der Basis der durchgeführten Analyse erfolgt die Prozessplanung, die den Grundstein für eine belastbare Ablauf- und Terminplanung bildet. Hier ist es wichtig, den Gesamtprozess in sinnvolle Arbeits- und Taktbereiche zu untergliedern. Basierend darauf erfolgt die Konzeption des Ablaufs mit Meilensteinen und Stabilitätskriterien. Am Ende dieser Planung ist klar festgelegt, wann welche Mitarbeiter, Maschinen und Baumaterialien zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort benötigt werden. Die einzelnen Gewerke ziehen wie Züge durch das Gebäude – perfekt getaktet. Ohne Leerläufe oder Verzögerungen, weil Material oder Pläne fehlen, und ohne dass sich die Handwerker in die Quere kommen. Dennoch ist das System flexibel genug, um auch Unvorhergesehenes abzufedern. Die grundlegende Planung des Bauprojekts wird zwar auf einer vierbis sechs-Monats-Basis definiert, diese wird allerdings alle zwei bis vier Wochen von allen Projektbeteiligten erneut abgestimmt und gegebenenfalls angepasst.

Eine Tafel stellt den Bauablauf dar

Auf der Baustelle selbst informiert die Tafelplanung mit Steckkarten – ein weiteres wichtiges Element von LCM® – über die einzelnen Baufortschritte und gegebenenfalls auftretende Hindernisse. Über die Tafel wird der Bauablauf für die kommenden Wochen im Voraus dargestellt und tagesgenau durchgeplant. So ist auf einen Blick ersichtlich, welches Gewerk mit seinen Arbeiten in Verzug ist und woran das liegt. Die Tafel fungiert so einerseits als Steuerungsinstrument für Bauleitung und Fachbauleitung und andererseits als visuelles Frühwarnsystem. Vertreter der Bauleitung und der ausführenden Unternehmen besprechen sich täglich an der Tafel und können so auf Probleme und Verzögerungen schnell reagieren. Alle Beteiligten ziehen also an einem Strang und suchen gemeinsam nach passenden Lösungen. Dies sorgt für hohe Transparenz und Verlässlichkeit in der Bauausführung. Zudem können so bestimmte Kennzahlen wie zum Beispiel die Termintreue pro Firma, die Qualität auf Tagesbasis oder auch die Nutzung der Engpassressourcen analysiert und gegengesteuert werden.

Erst wenn alles stimmt, wird die jeweilige Tageskarte auf Grün gedreht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit Lean Construction Management Bauprojekte schneller und effizienter umgesetzt werden können. Verknüpft mit digitalen Methoden wie Building Information Modeling (BIM) wird die Management-Methode aber auch das Arbeitsumfeld von Bauingenieuren in den kommenden Jahren nachhaltig verändern. Neben ihren fachlichen Kenntnissen werden verstärkt auch kommunikative Fähigkeiten und Bereitschaft zur Transparenz gefragt sein.

Buchtipps

Fiedler, Martin (Hg.), Lean Construction – Das Managementhandbuch: Agile Methoden und Lean Management im Bauwesen; Berlin: Gabler Verlag 2017.

Heidemann, Ailke, Kooperative Projektabwicklung im Bauwesen unter der Berücksichtigung von Lean-Prinzipien. Entwicklung eines Lean-Projektabwicklungssystems. (Reihe F, Heft 68). Karlsruhe: KIT Scientific Publishing 2011. Kirsch, Jürgen, Organisation der Bauproduktion nach dem Vorbild industrieller Produktionssysteme. Entwicklung eines Gestaltungsmodells eines ganzheitlichen Produktionssystems für den Bauunternehmer. (Reihe F, Heft 63). Karlsruhe: KIT Scientific Publishing 2011.

Kröger, Samy, BIM und Lean Construction: Synergien zweier Arbeitsmethoden. (Beuth Innovation). Berlin: Beuth Verlag 2017.

Spath, Dieter/Bullinger, Hans-Jörg (Hg.), Konzept einer BIM-basierten smarten Bauablaufplanung unter Berücksichtigung von Lean-Prozessstrategien. (Schriftenreihe zu Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement). Stuttgart: Fraunhofer Verlag 2017.