Implenia: Stefan Roth im Interview

Der Verantwortliche für den Geschäftsbereich Germany & Austria bei Implenia

Stefan Roth, Foto: Implenia
Stefan Roth, Foto: Implenia

Der Team-Baumeister: Stefan Roth ist Deutschland-Chef beim schweizerischen Baukonzern Implenia. Schon als Student hatte der Bauingenieur ein klares Ziel vor Augen: Er wollte Gebäude entstehen lassen – in verschiedenen Ländern, in bunt zusammengesetzten Teams. Roth hält die kulturelle Offenheit und Begeisterung für das gemeinsame Arbeiten an Projekten für die wichtigste Eigenschaft, um Karriere zu machen. Seiner Meinung nach helfen Methoden wie Building Information Modeling der Branche dabei, in diesen Bereichen noch besser zu werden. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Stefan Roth, Jahrgang 1961, schloss 1987sein Studium des Bauingenieurwesens ab. Er begann seine Karriere als Bauleiterbei Bilfinger Berger in Köln. Als Project Manager leitete er Infrastrukturprojekte in Deutschland, Thailand und Taiwan. 2003 stieg er zum Mitglied der Geschäftsführung von Bilfinger Berger Hochbau auf. 2005 ging Stefan Roth als Präsident und CEO der Frucon Construction Corporation in die USA. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war er zunächst Geschäftsführer der Bilfinger Berger Umwelttechnik, später Mitglied der Geschäftsführung im Bereich Ingenieurbau. 2012 wurde er zum Vorsitzenden der Geschäftsführung von Bilfinger Construction ernannt. Seit März 2015 trägt der 55-Jährige die Verantwortung für den Geschäftsbereich Germany & Austria bei Implenia.

Herr Roth, Sie haben Ihr Bauingenieurstudium 1987 abgeschlossen. Welche Hoffnungen haben Sie mit Ihrem Berufseinstieg verbunden?
Ich hatte schon als Studierender den Plan, irgendwann im Ausland tätig zu sein. Es gab an der Uni Gastvorträge über außergewöhnliche internationale Bauvorhaben – da wollte ich eines Tages als Bauingenieur mit dabei sein. Während der Uni-Zeit habe ich dann auf Großbaustellen gejobbt und mir Geld dazu verdient. Diese Erfahrungen haben mich motiviert, am Ende des Studiums das Diplomzeugnis in der Tasche zu haben. Ich wusste, ich brauche den Abschluss, um selber einmal solche Bauprojekte zu leiten.

Wie haben Sie das Studium erlebt?
Ziemlich trocken. Für viele war und ist das eine Hürde. Mir war aber klar: Wenn ich einmal ein Projektmanagement übernehmen möchte, dann muss ich da jetzt durch.

Was hat Sie so sehr an der Baukarriere gereizt?
Ein Projekt gestemmt zu haben, bedeutet, wirklich etwas geschaffen zu haben. Das ist etwas ganz Anderes, als in einer Versicherungsagentur tätig zu sein. Etwas zu bauen, das gibt mir ein unglaubliches Erfolgsgefühl. Hinzu kam, dass ich auf den Baustellen schon als Aushilfskraft tolle Leute kennenlernen durfte. Mir hat die Atmosphäre auf dem Bau gefallen, das Teamwork und die Kollegialität.

Für junge Absolventen ist das eine wichtige Erkenntnis: Während des Studiums ist man mehr oder weniger Einzelkämpfer, der sich durchboxen muss. Im Beruf ist man im Unterschied dazu nicht mehr alleine. Das sollte man ausnutzen. Ich kann als Berufseinsteiger Fragen stellen – und darf darauf setzen, dass mir die erfahrenen Kollegen bereitwillig Hilfestellungen geben.

Wie verlief in dieser Hinsicht Ihr Karrierestart bei Bilfinger Berger?
Ich hatte zunächst einen Office-Job und habe dort versucht, brav das anzuwenden, was ich im Studium gelernt hatte. Schnell traf ich dann auf Leute, die mich tüfteln sahen und sagten: „Mach’ es dir nicht so schwer, ich zeige dir mal, wie ich das beim letzten Mal angegangen bin.“ Wovon ich von Beginn an profitiert habe: Während des Studiums habe ich versucht, durch den Wechsel der Hochschule und praktische Erfahrungen menschliche Vielfalt zu erleben. Das zahlt sich bis heute aus. Ich habe seit jeher mit ganz unterschiedlichen Leuten zu tun. Alleine, auf wie viele verschiedene Arten von Bauherren ich schon getroffen bin. Mir macht es ungemein viel Spaß, mich auf diese unterschiedlichen Menschen einzulassen, mit ihnen zu kooperieren und Geschäfte zu machen.

Das ist eine Kompetenz, die man nicht unbedingt in erster Linie mit einem Bauingenieur zusammenbringt.
Das stimmt – aber nur solange, bis man die Arbeit genauer kennenlernt. Aber ich gebe Ihnen Recht, Studierende und Absolventen haben das noch nicht so auf dem Schirm. Mich fasziniert die Vielfalt des Berufsbilds „Bauingenieur“. Ich bin häufiger auf Karriere- und Branchenmessen zu Gast und beeindruckt, wie heterogen das Job-Angebot für Bauingenieure ist – und wie groß der Bedarf an Nachwuchskräften ist. Wer das Diplom in der Tasche hat, hat daher beste Chancen auf einen guten Arbeitsvertrag.

Warum ist die Branche für die junge Generation nicht attraktiver?
Es hält sich weiterhin das Bild von einer Baustelle, in der man es mit Staub und Schlamm zu tun hat. Mit der Realität auf großen Baustellen hat das nur noch wenig zu tun. Klar, man kann auch mal dreckig werden. Große Projekte sind jedoch heute so organisiert wie eine eigene Unternehmung. Involviert sind Leute aus ganz verschiedenen Bereichen, Bauingenieure treffen auf Kaufleute und ITler, Personaler und Controller. Das ist wirkliche Teamarbeit. Wichtig ist zudem eine gewisse Freude an der Mobilität und Flexibilität, denn wenn ein Großprojekt nach zwei oder drei Jahren abgeschlossen ist, steht schnell das nächste an – und das in der Regel an einem anderen Ort, manchmal auch im Ausland.

Wie beurteilen Sie die Innovationskraft der Bauindustrie, gerade auch mit Blick auf die Digitalisierung?
Es gibt noch Luft nach oben. Festhalten müssen wir, dass es sich bei der Digitalisierung der Branche um eine Notwendigkeit handelt. Es geht nicht darum, ob ein Unternehmen das Thema angehen will oder nicht. Die digitale Transformation ist gesetzt. Um das zu erkennen, reicht ein Blick in die Nachbarländer. In Skandinavien zum Beispiel ist die Branche bei digitalen Themen schon deutlich weiter, die öffentliche Hand zum Beispiel verlangt dort bei den Ausschreibungen die Arbeit mit BIM. In unserem Unternehmen haben wir in den vergangenen Jahren stark in internes Know-how, in Strukturen sowie in Technologie investiert, um hier am Puls zu bleiben.

Wie bewerten Sie die Situation in Deutschland?
BIM setzt sich durch, die großen Bauunternehmen arbeiten schon mehrere Jahre mit dieser Methode. Wichtig ist aber, dass alle Beteiligten mitziehen. Damit das geschieht, gibt es einen politisch beschlossenen Plan, der vorsieht, dass diese Methode ab 2020 zur Voraussetzung für Großprojekte wird. Das erhöht den Druck auf alle Akteure, sich diesem Thema zu stellen. Und dieser Druck ist wichtig, damit eine größere Dynamik entsteht.

Warum ist BIM so bedeutsam?
Weil es eine Methode ist, die den gesamten Bauprozess begleitet, von der ersten Idee über die Genehmigungen und die Planfeststellung bis hin zum Bau und schließlich dem Betrieb des Gebäudes. Dieser Prozess dauert mehrere Jahre, und wenn ich mir anschaue, welche Kooperationen und Abhängigkeiten in dieser langen Zeit entstehen, dann gibt es dort sehr viele Ansatzpunkte, um Dinge wesentlich zu beschleunigen und besser zu kontrollieren.

Können Sie hierfür ein konkretes Beispiel nennen?
Im Grunde geht es darum, bereits vorhandene Informationen schnell und einfach zu nutzen. Bei den Kommunen zum Beispiel liegen Pläne über alle Leitungen für Strom, Gas und Wasser. Wer diese Pläne einsehen will, muss das bei den Städten und Gemeinden beantragen. In Zukunft wird es möglichsein, diese Informationen ohne Mehraufwand direkt über ein digitales Tool anzuzapfen – was unglaublich viel Zeit und Aufwand einspart.

Für die junge Generation ist die Digitalisierung beinahe aller Lebensbereiche eine konkrete Erfahrung. Wie gut kann sie sich in die Baubranche einbringen?
Wir suchen gezielt junge Mitarbeiter, die mit diesen digitalen Tools aufgewachsen sind. Noch vor zehn Jahren waren Smartphones undenkbar. Heute gehören sie ganz selbstverständlich zum Alltag. Die Baubranche sucht und findet aktuell einen Weg, Apps für sich zu nutzen. In den USA sehen Sie schon häufig Projektmanager und Bauleiter, die eine Baustelle mit der Hilfe von Apps mit dem Tablet steuern. Ich warne davor, zu denken, dass diese Entwicklung bei uns in Deutschland noch einige Jahre auf sich warten lassen wird. Ich denke, es wird sehr schnell gehen. Zumal die Politik das nicht nur fördert, sondern auch fordert.

Zum Unternehmen

Implenia ist das führende Bau- und Baudienstleistungsunternehmen der Schweiz und ist europaweit tätig. Der Konzern bietet seine Dienstleistungen in allen Sparten des Baus an. Seinen Hauptsitz hat das Unternehmen in Dietlikon bei Zürich. Es beschäftigt gut 8100 Menschen. Gegründet wurde Implenia im November 2005 durch die Fusion der Zschokke Holding und der Batigroup Holding. Seit März 2015 ist das deutsche Traditionsunternehmen Bilfinger Construction mit seinen Aktivitäten in Deutschland, Österreich, Rumänien und Schweden Teil der Gruppe. Sitz des für Deutschland und Österreich zuständigen Bereichs ist Wiesbaden.