Agieren statt Reagieren

Hochschulabschluss und praktische Erfahrungen. Glänzende Zeugnisse. Fremdsprachenkenntnisse. – Trotzdem kein Job? Oft fehlt es an der richtigen Strategie. Der FH-Dozent und Arbeitsberater Walter Bens empfiehlt unter anderem die Zielgruppenkurzbewerbung.

Autor:

Walter Bens arbeitete mehrere Jahre als Arbeitsvermittler und -berater und lehrt nun an der Fachhochschule der Bundesanstalt für Arbeit in Mannheim die Fächer Arbeitsvermittlung und -beratung. Seit 15 Jahren beschäftigt er sich mit Alternativen zur öffentlichen Arbeitsvermittlung, insbesondere mit Selbstvermarktung.

„Ihre Strategie ist falsch.“ So lautet die Erkenntnis von Wolfgang Mewes, der in Deutschland mit großem Erfolg die Engpasskonzentrierte Strategie (EKS) eingeführt und damit für Bewerber Marktnischen im wirtschaftlichen Bereich entwickelt hat. Noch immer gehen Arbeitnehmer als Bittsteller auf Arbeitgeber zu, indem sie vornehmlich passiv auf Inserate (Printmedien und Internet) oder Angebote über das Arbeitsamt reagieren, statt sich als „Ichfirma“ zu begreifen und ihre Arbeitskraft aktiv einer Zielgruppe anzubieten. Wenn denn Initiativbewerbungen geschrieben werden, richten sie sich vornehmlich an bekannte Großfirmen.

Die Zielgruppenkurzbewerbung
Jörg B., 26-jähriger Absolvent eines BWL-Studiums mit Vertiefungsrichtung Controlling, bewarb sich innerhalb eines Jahres rund 100 mal auf Stellenausschreibungen. Freilich nutzten auch andere Bewerber diese Quellen. Jörg B. war nur ein Mitstreiter unter vielen, seine Bewerbung eine unter Hunderten. Der gewünschte Erfolg blieb aus.
Vielversprechender ist dagegen die Zielgruppenkurzbewerbung (ZKB). Sie setzt eine klare Festlegung der Zielposition (Job) und der (regionalen) Zielgruppe (Branche) voraus. Da sie weder umfangreich noch aufwendig ist, kann sie in großer Anzahl breit gestreut werden. Diese Bewerbung besteht aus zwei Seiten, dem Anschreiben und dem „Beruflichen Kurzprofil“. Foto und Zeugnisse werden nicht beigefügt. Das Anschreiben enthält statt der Betreffzeile „Bewerbung als …“ eine bis zu vierzeilige Headline. Hier bietet der Bewerber seine Stärken und Erfahrungen aktiv an, im zweiten Teil die Mitarbeit in definierten Funktionen oder Bereichen. Der Abschlusssatz weist darauf hin, bei Interesse eine komplette Bewerbungsmappe an zu fordern oder direkt zu einem Vorstellungsgespräch ein zu laden.

Technik des beruflichen Querdenkens
Die häufigste Ursache für den Misserfolg von Bewerbungen liegt in der linearen Denkweise der Bewerber. Der Diplom-Ingenieur Maschinenbau, der sich ausschließlich in den klassischen Branchen, wie Anlagen- und Maschinenbau, bewirbt, lässt viele Chancen aus. In produzierenden Unternehmen (Chemie, Kunststoffverarbeitung, Elektronik usw.) sind für die Projektierung, Planung und Produktion mehr Maschinenbau-Ingenieure im Einsatz als in den klassischen Bereichen. Ebenso kann der Konstrukteur für Flaschenabfüllanlagen mit langjähriger Berufserfahrung sowohl bei bisherigen Kunden (Brauereien zum Beispiel) als auch in Unternehmensberatungen, Ingenieurbüros und einschlägigen Softwarefirmen berufliche Alternativen finden.

Differenzeignung
Auf den Unterschied kommt es an. Besonders wichtig ist es daher, die Differenzeignung gegenüber den möglichen Mitbewerbern heraus zu arbeiten. Gerade Hochschulabsolventen können sich auf Grund von Vertiefungsrichtung, Studien- und Diplomarbeit, Praktika, Fremdsprachen und so weiter positiv abgrenzen. In Zeiten fortschreitender Globalisierung können auch soziale und regionale Aspekte vorteilhaft sein. Die Maschinenbau-Ingenieurin mit Herkunft, Studium und ersten Berufserfahrungen in einem GUS-Staat wird diese Merkmale für eine Vertriebsposition in einem international tätigen Unternehmen sicherlich vorteilhaft einsetzen können.

Kombination von Studium und beruflichen Kenntnissen
Wer vor dem Studienbeginn bereits eine betriebliche Berufsausbildung abgeschlossen hat, sollte dies unbedingt erwähnen. In der Kombination lassen sich deutlich interessantere und besser bezahlte Aufgaben finden (zum Beispiel in Einkauf, Vertrieb oder Planung). Gleiches gilt für die Kopplung von dualem Berufsabschluss und Studienabschluss. Der gelernte Koch mit abgeschlossenem BWL-Studium, der sich bei Herstellern von Konsum- oder Investitionsgütern für die Gastronomie und Hotellerie bewirbt, kann seine erworbene Branchenkenntnis unmittelbar zum Einsatz bringen.

Eine Chance für den Hochschulabbrecher
Ein Studienabbruch muss kein Stolperstein auf dem Karriereweg sein. Das Vordiplom in der Tasche, können auch berufsrelevante Studienschwerpunkte in Kombination mit Zusatzqualifkationen zum Erfolg führen. Thomas S. studierte Amerikanistik und erkannte nach dem Vordiplom die geringe Praxisrelevanz der Studieninhalte. Er belegte einen vom Arbeitsamt finanzierten EDV-Kurs. Die erfolgreiche Teilnahme und seine hervorragenden Englischkenntnisse bescherten ihm schließlich die Position eines Supporters in einer amerikanischen Großbank. Künftiger Einsatz als Trainer im europäischen Raum nicht ausgeschlossen…

Linktipps