Bewerber: „Zu lieb, zu ehrlich, zu offen“

Bewerber: “Zu lieb, zu ehrlich, zu offen”

So charakterisiert Erfolgscoach Uwe Schnierda den „typischen“ Bewerber. Dem karriereführer erzählte er, welche Verhaltensformen und Strategien stattdessen im Vorstellungsgespräch gefragt sind.

Das Vorstellungsgespräch wird oft mit einem Verkaufsgespräch verglichen. Was halten Sie davon?
Gerade bei Hochschulabsolventen hat das Wort „Verkauf“ einen leicht negativen Touch. Das klingt einerseits nach Klinkenputzen, und damit erleiden viele Bewerber Schiffbruch. Andere wiederum treten zu überheblich auf, aber auch das klappt nicht. Denn dann wird erst recht nach Fehlern und Schwächen gesucht. Aber es gibt auch einen Mittelweg: die beschreibende, sachliche Darstellung der eigenen Stärken. Und diese Verkaufsmethode kann sich jeder mit guter Vorbereitung aneignen.

Und was macht eine gute Vorbereitung aus?
Neben den Informationen über das Unternehmen ist die Ausarbeitung einer Selbstpräsentation ganz wichtig. Schließlich kommen fast in jedem Vorstellungsgespräch Fragen wie „Warum sollen wir gerade Sie einstellen?“ oder „Was unterscheidet Sie von anderen Bewerbern?“ Darauf sollte der Bewerber einen Kurzvortrag zum eigenen Profil liefern können – aber bitte keinen chronologisch aufgebauten Lebenslauf. Suchen Sie sich stattdessen zwei bis drei Kernelemente der angebotenen Stelle raus – zum Beispiel Marketingerfahrungen und Sprachkenntnisse – und liefern Sie dafür Belege aus Ihrem Werdegang. So vermeiden Sie das Chronologische und behalten die Stelle im Blick.

Trotz guter Vorbereitung sind viele vor dem Vorstellungsgespräch sehr nervös. Wie können Bewerber mit dieser Nervosität umgehen?
Gefühle sollte man ernst nehmen, schließlich geht es ja auch um etwas. Wenn ich Angst verspüre, ist das erst einmal ein Signal, das mich anspornen, mir aber keine schlaflosen Nächte bereiten sollte. Oft hilft eine mentale Vorbereitung: Machen Sie sich klar, dass es in dem Gespräch nicht um alles oder nichts geht.

Man will Sie kennen lernen und das ist eine Auszeichnung. Dass Sie sich im schriftlichen Verfahren schon gegen eine ganze Menge Bewerber durchgesetzt haben, sollte Sie beruhigen. Denken Sie außerdem daran, dass die Entscheidung ja nicht in dem Gespräch selbst fällt, sondern dass beide Seiten noch Zeit zum Überlegen haben. Und wenn die Gefühlsschwankungen Sie trotzdem überwältigen, arbeiten Sie noch einmal in aller Ruhe Ihre Korrespondenz mit der Firma, die Stellenanzeige und Ihre Bewerbungsmappe durch.

Wie gelingt es dann im Gespräch, die Sympathie des anderen zu gewinnen?
Sympathie wird über das erzeugt, was man sagt, aber auch darüber, wie man es sagt. Körpersprache spielt dabei eine ganz große Rolle. Nicht besonders überzeugend ist es, wenn Sie in die Rolle des scheuen Mauerblümchens verfallen, im Stuhl zusammensacken, ängstlich zu Boden blicken und sagen: „Meine Führungsqualitäten sind sehr ausgeprägt.“ Das andere Extrem: der aggressive Bewerber, der mit bohrenden Blicken den Personalverantwortlichen bedrängt und dann Sätze fallen lässt wie „Warum stellen Sie mir eigentlich diese Fragen, das müssten Sie doch alles aus meinen Unterlagen wissen.“

Am besten überprüfen Sie Ihre Körpersprache im Vorfeld, möglichst mit Videokamera, Freund oder Freundin. So finden Sie heraus, welche Stressgesten Sie haben. Die einen klopfen mit den Fingern auf die Tischplatte, weil sie nervös sind, andere nesteln am Schmuck rum. Gewöhnen Sie sich an eine aufrechte Sitzhaltung, achten Sie darauf, Ihre Beine nicht zu verknoten und nicht verkrampft zu sitzen. So lösen Sie mögliche Anspannungen.

Ist auch das Outfit ein Sympathiefaktor?
Ja, denn mit der Kleidung signalisieren Sie: „Ich habe verstanden, worauf es ankommt.“ Wer sich für Berufe mit Kundenkontakt bewirbt, kommt im Business-Outfit. Und auch Absolventen der Natur- und Ingenieurswissenschaften sollten nicht mit abgewetzter Jeans und ausgelatschten Schuhen erscheinen. Denn im Bewerbungsgespräch zieht man sich nicht so an, wie man später arbeiten, sondern so, wie man die Firma im Außenkontakt vertreten möchte.

Nachlesen:

Püttjer, Christian; Schnierda, Uwe:
Souverän im Vorstellungsgespräch. Die optimale Vorbereitung für Um- und Aufsteiger
Campus Verlag
ISBN: 978-3593501192
Preis: 17,99 Euro

Wie verhalte ich mich bei mehreren Gesprächspartnern?
Neben den Personalverantwortlichen können auch Fachvorgesetzte oder Bereichsleiter bei dem Gespräch dabei sein. Wer da die Sympathie aller gewinnen will, sollte auch alle einbeziehen. Durch Blickkontakt, aber auch durch Inhalte. Am besten überlegen Sie sich im Vorfeld zwei bis drei Beispiele, die sowohl für die eine wie auch für die andere Zielgruppe interessant sind.

Personaler sind in der Regel sehr an Soft Skills interessiert. Sie wollen Beispiele aus der Praxis, die diese Soft Skills belegen – zum Beispiel die Organisation einer Studenteninitiative oder die Leitung einer Arbeitsgruppe.

Fachvorgesetzte und Geschäftsführer interessieren sich besonders für die Einsetzbarkeit des Bewerbers. Signalisieren Sie also mit Beispielen aus Studium und Praktika, dass der Theorie-Praxis-Schock bei Ihnen eher gering ausfallen wird.

„Welche Stärken und Schwächen haben Sie?“ – Empfehlen Sie, auf diese Frage, ganz ehrlich zu antworten?
Ehrlich sollten Sie sein, aber in Maßen. Die meisten Bewerber sind zu lieb, zu ehrlich und zu offen. Entscheidend ist, dass Sie das Verhältnis richtig gewichten. Überlegen Sie sich zwei bis drei Stärken, die Sie mit berufsbezogenen Beispielen belegen können.

Als Schwäche würde ich dagegen erstmal nur eine nennen und nur auf Nachfrage eine weitere. Ein Tipp: Zeigen Sie, dass Sie Ihre Schwächen erkannt und etwas dagegen unternommen haben. Zum Beispiel: „In einem Praktikum wurde mir mal gesagt, ich sei zu abwartend. Das war auch so. Ich war das erste Mal in der Firma, wollte niemanden nerven, sondern erstmal sehen, wie das so läuft. Aber mittlerweile habe ich mir angewöhnt, aktiver auf Leute zuzugehen.“ Mit so einer Antwort stehen Sie sehr gut da.

Gibt es Information, ohne die ich das Vorstellungsgespräch auf keinen Fall verlassen sollte?
Ja, denn das Vorstellungsgespräch ist ein Dialog und kein Frage-Antwort-Spiel. Deshalb sollten Sie schon zu Hause eigene Fragen vorbereiten – allerdings keine dummen. Was also schon aus der Stellenanzeige oder der Homepage hervorgeht, sollte man nicht fragen.

Fragen zur Einarbeitung bieten sich dagegen immer an und hinterlassen einen guten Eindruck: „Wie findet bei Ihnen die Einarbeitung statt? Gibt es einen festen Ansprechpartner? In welchen Abteilungen werde ich eingesetzt?“ Mit solchen Fragen zeigen Sie Ihr Interesse und können besser einschätzen, was auf Sie zukommt.

Und wie sieht es aus mit der Frage nach dem Gehalt?
Sie selbst sollten diese Frage auf keinen Fall zu Beginn des Gesprächs, sondern erst im letzten Drittel stellen. Im Idealfall spricht aber die Firma dieses Thema an, nachdem sie einiges über Ihre Person erfahren hat. Damit sendet sie ein Kaufsignal. Wenn ich mir ein Auto kaufen will, informiere ich mich schließlich auch erstmal über die Ausstattungsmerkmale und komme dann irgendwann zur Preisverhandlung.

Womit wir wieder beim Verkaufsgespräch wären.
Ja, und wie beim Autokauf sollte man auch hier die üblichen Preise kennen. Informieren Sie sich also im Vorfeld, was normalerweise in der Branche gezahlt wird.

Ansichten eines Gesprächs

Der Bewerber Marcus Hornung und die Personalreferentin Alexandra Hentschel erinnern sich an ein erfolgreich verlaufenes Vorstellungsgespräch.

Der Bewerber

„Für das Bewerbungsgespräch bei PwC Deutsche Revision habe ich mich thematisch und mental sehr gut vorbereitet. Freundlich werde ich von Frau Hentschel und dem zuständigen Partner am Standort Frankfurt begrüßt. Es entsteht schnell eine offene Atmosphäre und ich verliere meine anfängliche Nervosität.

Das Gespräch beginnt mit einer Vorstellungsrunde. Partner und Personalreferentin gehen dabei neben ihrer organisatorischen Einordnung und Aufgabenstellung auch auf Hobby und Familie ein, was mir sehr positiv auffällt.

 

Dann berichte ich. Bei der Vorstellung meines Lebenslaufs hebe ich Punkte hervor, die mir in bezug auf meine angestrebte Tätigkeit wichtig erscheinen. Sind Aspekte besonders interessant, sollen bestimmte Situationen näher beleuchtet werden oder werden weitere Informationen notwendig, stellen die beiden vertiefende Fragen. Ein gegenseitiger Informationsaustausch entsteht. Der interessierte Fragestil meiner Gesprächspartner lockert und entspannt die Atmosphäre.

 

Im weiteren Verlauf präsentieren sich das Unternehmen und der Fachbereich, für den ich mich beworben habe. Ich erfahre, in welcher Form meine Vorstellungen von einem zukünftigen Arbeitgeber und Arbeitsplatz erfüllt werden. Bei Unklarheiten frage ich direkt nach, sodass die Präsentation fließend mit der Beantwortung meiner Fragen einhergeht.

 

Zum Abschluss des zweistündigen Gespräches skizziert Frau Hentschel die weiteren Prozessschritte, sodass ich weiß, wann ich mit einer Nachricht zu rechnen habe. Das war vor zehn Monaten, heute arbeite ich bei PwC als Prüfungsassistent im Bereich Financial Services.“

Die Personalerin

„Guten Tag und Herzlich Willkommen bei PwC!“ Schon die ersten Minuten meiner Begegnung mit Herrn Hornung sind für mich sehr wichtig, um einen persönlichen Eindruck zu bekommen. Wie wirkt der Bewerber auf mich? Ist er dem Gespräch angemessen gekleidet? Geht er locker mit Small Talk um? Für einen Prüfungsassistenten und späteren Wirtschaftsprüfer, der im engen Kontakt mit dem Mandanten steht, ist das professionelle Auftreten ein Muss.

 

Um eine freundliche Atmosphäre zu schaffen und die erste Anspannung von Herrn Hornung zu nehmen, wende ich mich zunächst seinem Lebenslauf zu. Hier beschreibt Herr Hornung wo, wie und in welchen Bereichen er seine Praktika absolviert hat. Anhand von Praxisbeispielen erkenne ich analytische Fähigkeiten, Fachkenntnisse und strukturiertes Vorgehen.

 

Neben dem fachlichen Know-how interessieren mich aber auch Aspekte, die nicht unmittelbar den schriftlichen Unterlagen zu entnehmen sind. Gab es besondere Erfahrungen während der Tätigkeit als Praktikant? Hat er während eines Auslandsaufenthaltes etwas Ungewöhnliches erlebt und wie ist er damit umgegangen? Diese Informationen erweitern mein Bild von Herrn Hornung und geben mir die Möglichkeit, ihn besser kennen zu lernen.

 

Als Prüfungsassistent arbeitet man in unterschiedlich großen Teams zusammen, die immer wieder neu gebildet werden. Deshalb spreche ich Herrn Hornung auf seine Teamfähigkeit an. Beispiele aus dem Sport sind dabei genauso hilfreich wie Erfahrungen aus Studium und Praxis. All diese Aspekte haben den Ausschlag geben, Herrn Hornung als Mitarbeiter bei uns zu begrüßen.